„Zukunftsprogramm Pflanzenschutz" ist ein Rückwärtsprogramm

30.04.2024
Standpunkt zum Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL).
Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln
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Fortschritt geht anders

Das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) beinhaltet Zukunftsperspektiven für die hiesige Landwirtschaft nur im Namen, aber nicht in den vorgeschlagenen Maßnahmen. Denn diese sind unrealistisch, teilweise nicht umsetzbar und würden das Ende eines Großteils unserer hessischen landwirtschaftlichen Produktion bedeuten. Damit würde es zu einer vermehrten Importabhängigkeit aus Drittländern kommen. Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) z.B. mit technischem Fortschritt in der Applikation zu reduzieren, wird in der Diskussionsgrundlage des BMELs nicht einmal erwähnt. Im Gegenteil: Der gemachte Vorschlag imitiert die gescheiterte Sustainable Use Regulation (SUR) indem er die Ziele des inzwischen offiziell zurückgezogenen Verordnungsentwurfes fortführt. Damit entbehrt er nicht nur einer gesetzlichen Grundlage, er steht auch für Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU sowie für Bürokratieaufbau.

Volle Ladung Ordnungsrecht

Die Ziele umfassen eine 50%ige Reduzierung der Anwendungsmenge von PSM insgesamt, die Schaffung von 10% Refugialfläche in der Agrarlandschaft als Voraussetzung für den Einsatz verschiedener PSM, den Verzicht auf Glyphosat, die allgemeine Einschränkung der PSM-Nutzung in Trinkwasserschutzgebieten, den Ausbau des Ökolandbaus auf 30% sowie die Fokussierung der Forschung auf biologische Verfahren und die Verschärfung der Zulassungsverfahren für nicht als Low-Risk-Mittel eingestufte PSM auf EU-Ebene.

Um diese Ziele zu erreichen, ist geplant, verstärkt auf Ordnungsrecht und mehr Kontrollen zu setzen. Zudem sollen die Standards für die gute fachliche Praxis und Schwellenwerte überarbeitet werden, ebenso wie die Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes. Außerdem ist vorgesehen, einen größeren Anteil der GAP-Mittel in die zweite Säule zu lenken. Die Möglichkeit einer Einführung einer Pflanzenschutzsteuer wird geprüft und es wird erwogen, einen höheren Standard für behandeltes Saatgut einzuführen.

Kooperation und Digitalisierung sind wohl Fremdworte

Mit diesem „Zukunfts“-programm werden die drängenden Probleme und Fragestellungen, aber auch der Fortschritt bei Ausbringtechnik und moderner Züchtung im Bereich Pflanzenschutz völlig ignoriert. Das BMEL hängt alten Träumen von einer SUR hinterher. Es fehlen elementare Vorschläge für echte Verbesserungen, um wirklich eine zukunftsfähige hessische und deutsche Landwirtschaft zu gestalten.

Wir in Hessen sind bereit uns dem Thema Reduktion von PSM-Anwendungen zu stellen. Das haben wir durch die Mitarbeit und das Unterzeichnen der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung Landwirtschaft und Naturschutz und daraus folgend mit dem hessischen Pestizidreduktionsplan bewiesen. Letzterer setzt sich zum Ziel sowohl den PSM- als auch den Biozideinsatz zu reduzieren, um die Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Dabei setzt der Plan auf Beratung, Forschung, Freiwilligkeit, Kooperation und Dialog.

Was es für ein echtes Zukunftsprogramm Pflanzenschutz braucht

  • die Förderung der Entwicklung dringend benötigter, hoch wirksamer PSM, um ein Resistenzmanagement zu ermöglichen bzw. die Anbauwürdigkeit einzelner Kulturen am Standort zu erhalten
  • die schnellere Zulassung neuer Wirkstoffe
  • die Förderung PSM-sparender Technik in der Anschaffung für die landwirtschaftlichen Betriebe, sodass eine genauere und sparsamere Applikation aufs Feld gebracht wird
  • die Förderung besserer und vor allem kleinräumiger Warnsysteme für Befallssituationen im Feld
  • eine personelle Stärkung der Offizialberatungen im Bereich Pflanzenschutz (wie im Hessischen Plan vorgesehen)
  • die finanzielle Kompensation freiwilliger Naturschutzmaßnahmen seitens der Landwirtschaft
  • ideologiefreie Entscheidungen zu Wirkstoffen, wie beispielsweise beim Einsatz von Glyphosat in Wasserschutzgebieten
  • eine intensivierte Förderung der Forschung im Bereich PSM-Einsparung und Entwicklung alternativer Wirkstoffe und Bekämpfungsmöglichkeiten
  • die Zulassung moderner Züchtungsmethoden für die Entwicklung resilienter Sorten ohne Patente auf Pflanzen.

Wir sind bereit uns der Herausforderung zu stellen und wissen um Lösungsansätze. Diese müssen allerdings praktikabel sein und auf echter Kooperation beruhen. Das vorgestellte Programm ist kein Zukunftsprogramm, es ist ein Rückwärtsprogramm!

Esther Wernien

Esther Wernien

Referentin, M.Sc. agr.

Esther Wernien ist beim Hessischen Bauernverband für den Bereich Sonderkulturen, Pflanzenschutz, Kartoffeln sowie Obst- und Gemüsebau zuständig. Zudem ist sie Geschäftsführerin des Braugerstenvereins.