Klamme Kassen treffen auf hohes Ambitionsniveau

05.12.2024
Kommentar von Generalsekretär Sebastian Schneider über die hessische Agrarpolitik. Vielversprechende Ziele, aber fehlende konkrete Taten für Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Resilienz.
Standpunkt
Winterlandschaft Feld
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Es fällt mir schwer die gegenwärtige agrarpolitische Stimmung im Land zu beschreiben. Ist sie abwartend gedämpft oder doch eher absehbar enttäuscht? Die fetten Jahre seien vorbei, so Finanzminister Lorz zur Vorstellung des Haushalts 2025. Es gälte nun, bewusst zu konsolidieren und gezielt zu investieren. Das würde ich so unterschreiben. Schade, dass die Schwerpunktsetzung des Landes für die hessische Wirtschaft beim vier Millionen schweren Notfallpaket für die hessische Landwirtschaft schon keine weiteren Ansätze mehr für die hessischen Landwirtinnen und Landwirte bietet. Denn gezielt investieren heißt priorisieren. Und bei einem kurzen Gegencheck in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD sieht man doch eine wortwörtliche "(...) Leidenschaft für eine starke Landwirtschaft und ländliche Räume”, die es nun in konkrete Maßnahmen umzusetzen gilt. Leider herrschte in Berlin und Wiesbaden lange genug politischer Stillstand bei der Umsetzung von Branchenvereinbarungen wie der ZKL oder der Kooperationsvereinbarung Landwirtschaft und Naturschutz Hessen. Von den 7, 10 und 13 Millionen Euro in den letzten drei Jahren ist bei den Betrieben in der Fläche leider nichts angekommen, profitiert haben die üppige Stellenfinanzierung des Landes, und zwar teure, aber vielleicht auch manchmal gar nicht immer nötige Forschungsaufträge. 

Ein kurzer Blick am Berliner Wahlkampf vorbei in Richtung Berliner Agrarpolitik lohnt gegenwärtig: Die ZKL 2.0 gibt hier (ein zweites Mal) eine Marschrichtung vor, die wiederum zeigt, dass es wenig an agrar- und gesellschaftspolitischen Konsens mangelt, sondern vielmehr an den Umsetzungsambitionen der Entscheidungsträger. Zumindest aber Strahlkraft haben die Ergebnisse! Die verbleibenden vier Jahre der amtierenden hessischen Landesregierung müssen Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit (in allen Dimensionen) und Resilienz des Agrar- und Ernährungssektors (mit dieser Zusammenfassung der ZKL kann ich sehr gut leben) als gleichrangige Kernaufgaben verfolgen. Die Einführung einer staatlich unterstützten Mehrgefahrenversicherung wäre ein wichtiges Signal für die hessischen Landwirte und ein Zeugnis der Durchsetzungsfähigkeit des HMLU gegenüber dem wahrscheinlichen Gegenwind aus dem Finanzministerium. Ein Abbau der zunehmenden Regulierungsdichte in Landwirtschaft ist längst überfällig, da diese nicht nur die Betriebe, sondern auch die Behörden überfordert. Hier hat Minister Pentz mit dem Bündnis gegen Bürokratie und dem sog. Sounding Board für die hessische Wirtschaft erste in der Tat ernstzunehmende Ausrufezeichen gesetzt. Der HBV war bisher immer mit dabei. “[Die hessische Länderregierung] [will] durch die Schaffung einer einheitlichen Datenmaske zur Meldung aller erforderlichen Betriebsdaten und Beantragung der Förderung zum Abbau von Bürokratie und Verwaltungslasten in den Betrieben beitragen.” Klingt gut, es ist ein guter Zeitpunkt für den Anfang! 

Und nicht erst die Kooperationsvereinbarung aus 2021 unterstreicht die Notwendigkeit statt pauschaler rechtlicher Vorgaben Naturschutzmaßnahmen durch Kooperation, Anreize und gezielte Förderungen umzusetzen. Die ZKL wird hier sogar noch konkreter - für Naturschutzauflagen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, muss ein verpflichtender Ausgleichsanspruch eingeführt werden. Ich schlage vor, dass die modellhafte Erprobung des sog. niederländischen Modells unserem Land ebenfalls gut zu Gesicht stünde. “Wir sind bereit. Aber man muss uns auch lassen” unterstrich der HBV schon im letzten Jahr anlässlich der Landtagswahl. 

Porträt Sebastian Schneider

Sebastian Schneider

Generalsekretär, M. Sc. agr.

Sebastian Schneider ist Generalsekretär beim Hessischen Bauernverband und war in seiner vorherigen Position als Referent zuständig für die Agrar-, Struktur und Förderpolitik. In diesem Zusammenhang insbesondere für die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP), Agrarumweltmaßnahmen des Landes Hessen (HALM), Investitionsförderung und allgemeine betriebswirtschaftliche, klima- und energiepolitische Fragen.