Die Zukunft der Landwirtschaft

21.04.2023
HBV-Vizepräsident Thomas Kunz über die vielfältigen Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht.
Standpunkt
Mähdrescher bei der Ernte
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Wir Landwirte sehen unsere Hauptaufgabe darin, qualitativ hochwertige und bezahlbare Lebensmittel für regionale, nationale und internationale Märkte zu produzieren. Lang waren Lebensmittelpreise Inflationsbremse. Stetige Produktionssteigerungen haben ein starkes Bevölkerungswachstum erst ermöglicht – gleichzeitig hat die Landwirtschaft die Versorgung dieser wachsenden Bevölkerung mit Nahrung immer zuverlässiger und für die Haushalte immer günstiger gemacht. Das wird heute allgemein als Wohlstand einer Gesellschaft wahrgenommen! Als Gegenleistung wünschen wir uns ein gutes Einkommen, vor allem aber Wertschätzung für unsere Arbeit zu erfahren. Auch von der Politik: es braucht dringender denn je verlässliche politische Rahmenbedingungen.

Ein Blick zurück

Früher ging es darum, dass wir die Ernährung sichern – dies führte zu Überschüssen in der Produktion. Dann sollten wir Unternehmer werden – dies führte zu außerordentlich leistungsfähigen Betrieben. Seit Jahren erklären wir, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun. Dann kamen die jüngeren Krisen (Versorgungsengpässe durch die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg). Jedem wurde vor Augen geführt, dass wir eine eigene unabhängige Landwirtschaft benötigen. Kurze Zeit später war bereits zu spüren, dass diese Erkenntnis wieder in Vergessenheit gerät. Wohin wird uns das alles führen? Wir leben auf einem der wenigen Gunststandorte dieser Welt, auf dem eine gute landwirtschaftliche Produktion überhaupt möglich ist. Auch in Zukunft werden wir eine Landwirtschaft mit einer gewissen Intensität brauchen. Ferner werden wir sogar nachhaltig intensivieren müssen. Wir Landwirte stellen uns dabei den Herausforderungen beim Klima-, Umwelt- und Artenschutz, aber ein scharfer Fokus auf die Nahrungsmittelproduktion darf auf keinen Fall verloren gehen. Und ja, das hat auch mit globaler Verantwortung zu tun. Viele Regionen auf der Erde produzieren auf ihrem Land Produkte für unseren Markt. Wir versorgen diese mit den Produkten, die dort nicht wachsen. Von den vielen unfruchtbaren Regionen ganz zu schweigen. Denn diese Menschen sind auch auf unsere Nahrungsmittel angewiesen, falls man keine neuen Fluchtbewegungen entstehen lassen möchte!

Wie soll es weitergehen?

Wir müssen nun schauen, wie wir als Gesellschaft insgesamt die hohen Anforderungen an Umwelt- und Klimaschutz auf der einen Seite sowie die ausreichende Produktion und zur Verfügungstellung von Lebensmitteln auf der anderen Seite in Einklang bringen. Besonders ethische und ökologische Erwägungen könnten aus Sicht der Deutschen mehr Beachtung in der hiesigen Landwirtschaft finden. Gleichzeitig fordern Gesellschaft und Politik mehr Tierwohl, gar einen ganzen Umbau der Tierhaltung. Wenn die Gesellschaft mehr Tierwohl will, kostet das jedoch Geld: Entweder müssen die Bürgerinnen und Bürger dies über die Theke bezahlen oder es muss über den Staat geregelt werden. Ein Großteil der Bevölkerung ändert ihr Kaufverhalten nämlich nicht. Die Politik muss hier klarer werden, wie die Tierhaltung der Zukunft aussehen soll. Wenn sich die geforderte Produktion mit mehr Tierwohl nicht über den Markt finanziert, muss es andere Wege geben.
Unterdessen findet ein Strukturwandel statt, vor dessen Dramatik in Berlin die Augen verschlossen werden. Doch keiner gibt die Tierhaltung auf, weil der Berufsstand sich nicht von sich aus mehr Tierwohl verschreiben will, sondern weil bereits seit Jahren auf die politischen Rahmenbedingungen dafür gewartet wird. Auf politischer Ebene scheint eine doppelte Moral gerade salonfähig zu sein – der Umbau wird zum Abbau der Tierhaltung. Anstatt die Vorschläge der Borchert-Kommission ganzheitlich umzusetzen, wird dieses Konzept in Kleinteile zerlegt und verfälscht, so dass es nicht nur wirkungslos wird, sondern insbesondere zu einer Perspektivlosigkeit bei den Tierhalten führt. Es werden weder Vorschläge zu einer vernünftigen Finanzierung noch zu zukunftsfähigen Haltungsvorgaben gemacht. So verrinnt die Zeit, mehr und mehr Betriebe hören auf und die Importabhängigkeit von billig produziertem Fleisch aus dem Ausland steigt, das dortige Tierwohl mal ganz außer Acht gelassen.

Um zukunftsfähig zu bleiben, brauchen wir also wieder mehr Fokus auf die Nahrungsmittelerzeugung, dabei muss die regionale Vermarktung weiter ausgebaut, aber ebenso die Weiterentwicklung in Technik, Digitalisierung und Smart Farming-Technologien forciert werden. Wir benötigen mehr Dialog zwischen Landwirten, Politik und Verbrauchern, damit es endlich zu klaren, an der Wissenschaft und den globalen Herausforderungen orientierten Vorgaben für uns Landwirte gibt. Die Politik muss Realitäten anerkennen und handeln.

Thomas Kunz
Thomas Kunz

Thomas Kunz

Vizepräsident Hessischer Bauernverband

Thomas Kunz bewirtschaftet in Heidenrod-Niedermeilingen einen Ackerbaubetrieb mit Schweine- und Rinderhaltung sowie Direktvermarktung im eigenen Hofladen mit angeschlossener Hofmetzgerei. Kunz ist seit 2006 Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Rheingau-Taunus und zudem Kreislandwirt. Seit vielen Jahren sitzt er für die CDU in der Gemeindevertretung seines Heimatortes. Seit 2019 hat er den Vorsitz des Landesagrarausschusses inne. Thomas Kunz ist verheiratet und hat vier erwachsene Kinder. Seit 2014 ist er Vizepräsident des Hessischen Bauernverbandes.