Nach der GAP ist vor der GAP und das Spiel dauert (diesmal) vier Jahre

02.12.2022
Standpunkt von HBV-Referent Sebastian Schneider zur Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik
Standpunkt
GAP Traktor Deutschland Europa Flagge
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Ohne Feuerwerk und Jubelschreie war es dann etwa fünf Wochen vor Beginn der neuen Förderperiode zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 samt seiner beiden Übergangsjahre so weit. Als zwanzigster der insgesamt 28 GAP-Strategiepläne für die Jahre 2023 bis 2027 der EU-Mitgliedstaaten hat die 1730 Seiten schwere deutsche Ausarbeitung per Durchführungsbeschluss von der EU-Kommission am 21. November 2022 nun endlich grünes Licht erhalten. Zusammen mit den bereits ersten Änderungen im nationalen Durchführungsrecht zu Direktzahlungen und Konditionalitäten ab 2023 durch den Bundesrat am vergangenen Freitag ist nicht nur das nationale Legislativpaket komplettiert, sondern nun auch tatsächlich die eigentlich schon im Frühjahr dringend benötigte Rechtssicherheit für die Betriebe geschaffen.

Gibt’s das auch in verständlich?

Wenn man die Regelungen und Pflichten dann auch irgendwann tatsächlich einmal in allen Detailebenen durchdrungen hat, fällt es schwer, die vielen Konstruktionsfehler und fachlichen Mängel hinzunehmen, mit der die GAP in Deutschland an den Start gehen wird. Zehn Haupt- und insgesamt drei Querschnittsziele sind es im bunten Strauß, mit der die Kommission vor über fünf Jahren mit einem ersten Mitteilungspapier die Diskussion um die GAP eröffnete. Bindegrün und Blattwerk dieses Straußes war das erklärte Ziel, die Bürokratiebelastungen für Antragsteller und schließlich auch Verwaltungen nachhaltig zu reduzieren. Doch vom politischen Versprechen eines „neuen Liefermodells“ mit mehr Ergebnisorientierung und mehr Subsidiarität samt Gestaltungsmöglichkeiten für die Mitgliedstaaten und für die Landwirte ist am Ende nicht viel geblieben. Das Zusammenspiel von Konditionalität, Eco Schemes und Agrarumwelt- und Klimaprogrammen der Länder in der neuen „Grüne Architektur“ ist höchstkomplex und am Ende ebenso dysfunktional.

Wettbewerbsfähigkeit fristet Schattendasein

Die Feier zum sechzigsten Geburtstag hätte in der Tat etwas festvoller ausfallen können. Einkommens- und Gewinnwirkung der Direktzahlungen wackeln gewaltig, wie auch ihre Funktion zum Ausgleich hoher europäischer Standards. Wir müssen und wollen Arten, Natur, Klima, Tiere und allesamt Ressourcen besser schützen. Ob national überzogene und teils über EU-Recht hinausgehende Auflagen, ein insgesamt mangelhaftes Design der Eco Schemes, leichtfertig angezählte Agrarumweltmaßnahmen der Länder oder die Polarisierung von intensiven und extensiven Agrarstandorten uns hier weiterbringen, darf zurecht in Frage gestellt werden.

Die GAP ist die älteste gemeinsame und heute noch am stärksten vergemeinschaftete Politik der Europäischen Union. Einst als wichtiges politisches und europäisches Projekt vor dem Hintergrund von Versorgungsengpässen und mit hoher Relevanz für die europäische Integration sowie großer Ausstrahlkraft für die ländlichen Räume, ist sie die einzige Politik, die auch heute noch nahezu ausschließlich aus dem gemeinsamen EU-Haushalt finanziert wird. Die hohen Produkt- und Prozessqualitäten und die Breite der erbrachten öffentlichen Leistungen machen das europäische Agrarmodell in der Welt einzigartig. Nur etwa 0,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens, weniger als ein Prozent der gesamten öffentlichen Staatsausgaben der EU-27, sichern bislang diese Europäische Agrarpolitik ab. Während die Gesamtausgaben der EU stetig ansteigen, geht das darin enthaltende Budget für Direktzahlungen und Marktmaßnahmen ebenso stetig zurück.

Wir müssen reden

Über Monate zähe und intransparente Kraftproben mit am Ende einigen Verschlimmbesserungen und Frustgarantie für diejenigen, die am Ende alles auf und in die Fläche bringen müssen, lassen salopp klingende Narrative wie „Nach der GAP ist vor der GAP“ in erstaunlicher Kurzfristigkeit und schon vor Start der Förderperiode ganz nach oben auf die Agenda rücken. Allein ein kurzer Blick auf die Zeitachse zeigt: In vollem Umfang startet die GAP erst nach dem Ausnahmenjahr 2023 und gilt dann für ganze vier Jahre. Zukunft ungewiss. Der Startschuss um die Diskussion zur Neuausrichtung der GAP ist also schon längst gefallen und ich bin sicher: Es braucht konzeptionelle Änderungen in größerem Umfang und abzuwerfende Fesseln in Sachen Administrierbarkeit und vor allem zum Einkauf gesellschaftlicher Leistungen. Nur wettbewerbsfähige Betriebe können öffentliche Güter im gewünschten Umfang liefern, wie einst Franz Fischler schon feststellte. Klima-, Umwelt- und Naturschutzleistungen müssen für die Betriebe wirtschaftlich tragfähig sein und werden. Mit Umwelt- und Naturschutzleistungen Geld zu verdienen, ist kein Tabu. Die Ansätze dazu liegen schon längst auf dem Tisch. Das sind etwa Anreizkomponenten für Agrarumweltmaßnahmen in ernstzunehmendem Umfang und die Organisation von Maßnahmen über Zusammenschlüsse und Kooperativen.

Sebastian Schneider

Sebastian Schneider

Referent, M.Sc. agr.

Sebastian Schneider ist beim Hessischen Bauernverband als Referent zuständig für die Agrar-, Struktur und Förderpolitik. In diesem Zusammenhang insbesondere für die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP), Agrarumweltmaßnahmen des Landes Hessen (HALM), Investitionsförderung und allgemeine betriebswirtschaftliche, klima- und energiepolitische Fragen.